SPUREN VON LEBEN
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln 2011

Spuren sind Zeichen, meist in Form von Abdrücken oder Materialabrieb, dass jemand oder etwas an einem Ort war. Es kann sich dabei um Fährten handeln, also um Fußstapfen, Gangmuster, Schlaf- und Raststellen oder auch um Radspuren. Radspuren verweisen nicht nur auf Leben, sondern auch auf Technologie und Kultur, also auf intelligentes Leben.

Besonders frappierend wirken Radspuren auf einem fremden Planeten, wie auf der rund 228 Millionen Kilometer entfernten Oberfläche des Mars. Hier hinterlassen Fahrzeuge seit 2004 bei ihren Explorationen Spuren in Sand und Geröll. Auf den weiten Flächen der Marslandschaften ähneln sie Chiffren, Zeichen auf einer Leinwand.

Für die Mission ExoMars entwickelt das DLR die Räder des Mars-Rovers. Rover bedeutet im Englischen Wanderer oder Vagabund – eine Konnotation, die nahezu romantische Untertöne des Aufbruchs ins Unbekannte und der Suche anklingen lässt. Der Mars-Rover wird die biologische Umwelt des Marsbodens studieren und dort nach früherem oder gegenwärtigem Leben suchen.

Während diese Wanderer nach Zeichen von Leben suchen, hinterlassen sie selber welche. Diese können auch als Zeichen der Selbstvergewisserung gelesen werden: „Wir waren hier.“ Auf welche Fährte aber werden sie andere Zivilisationen führen, die möglicherweise auf dem Mars landen? Uneingeweihte mögen in den Radspuren nichts Besonderes erkennen. Wer aber um den Hintergrund weiß, sieht in den Spuren Zeichen eines großen wissenschaftlichen Erfolgs.

Ausgehend von Fotografien der Roverfährten auf dem Mars wurden im Systemhaus Technik Bilder von Fahrspuren direkt auf die Wände aufgebracht. Spuren im Sand sind unbeständig. Während Marsstürme sie verwischen, gibt die Kunst am Bau den flüchtigen Zeichen Dauer und Bestand.

Dellbrügge de Moll, Text der Informationstafel


Entwurfspräsentation

… Die der Kunst überantworteten Bilder der Fahrspuren in Sand und Staub des Mars sind wie Fußspuren auf der Erde: absichtslose Zeichen, die wieder verschwinden. Die Wandbilder im Systemhaus Technik knüpfen als universelle Sinnbilder an die metaphorische Weite der bildlichen und sprachbildlichen Erscheinungsformen von „Spuren“ an und werfen existentielle Fragen auf: Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? 

Die Bilder führen als Abbild und Sinnbild ein vexierhaftes Doppelleben zwischen Sein und Schein, zwischen Pragmatik und Ästhetik. Spannungsvoll auf die Wände verteilte Bilder mit informellen Anmutungen verwandeln Fotodokumente von Fahrspuren in eine Kunst „am“ und „für“ den Bau. Der konzeptuelle Ansatz der Kunst fürs DLR wirkt auch wie ein Versuch, der Zeichnung als künstlerischer Gattung eine neue Grundlage zu geben und ihr im 21. Jahrhundert das Überleben zu sichern.

Martin Seidel in: Museum der 1000 Orte